Regelmäßige Neuigkeiten und Einblicke in die neueste Hörforschung aus Lübeck:

Praxisnahe Hörprojekte aus dem 5. Semester Hörakustik

Wissenschaft in der Hörakustik wird schon im Studium großgeschrieben! Zum Ende des 5. Semesters stellten Studierende aus dem Studiengang Hörakustik der Technischen Hochschule Lübeck (THL) ihre Semesterprojekte vor.

Ob für die Kita, im Labor, in der PC-Simulation oder im Konzertsaal: Hinter den technisch-wissenschaftlichen Hörprojekten der Studierenden standen praxisnahe Forschungsfragen, die sie ein halbes Jahr begleiteten. Darüber hinaus hatten die Studierenden die Möglichkeit im Seminar „Entwurf von Echtzeitprototypen“ (EVEP) ihr Wissen kreativ einzusetzen und bauten Modellautos, die mit Mikrofonen zur Schallortung ausgestattet wurden. In einem Wettbewerb um die präziseste Zielführung traten diese in der letzten Seminarstunde gegeneinander an.

Semesterbegleitende Hörprojekte

Wie verändern Subwoofer die Klangwahrnehmung in Musikstücken? Können Kopfhörer Hörgeräte wirklich ersetzen? Kommt es uns nur so vor, oder sind synthetisch erzeugte Ansagen am Bahnhof tatsächlich schwieriger zu verstehen?

In neun Teams haben die Studierenden im Modul „Hörprojekt“ ein Semester lang geforscht und gemessen. Zum krönenden Abschluss präsentierten die Studierenden ihre Projekte jeweils in einem wissenschaftlichen Vortrag. .

Bearbeitet und vorgestellt wurden die Themen:

  • AirPods Pro als Hörgeräte im Vergleich zu echten Hörgeräten
  • Virtuelle Akustik trifft Realität: Eine Probandenstudie im 64-Kanal-Lautsprecher-Array
  • Erstellung eines lokalen Chatbots: Die interaktive Zukunft der Hörgeräteevaluation?
  • Akustische Optimierung der Räume einer Kindertagesstätte (Kita)
  • Bassanalyse mit Subwoofern
  • Lokalisation mit dem Prototyp eines Freifeld-Kopfhörers
  • Vergleich des Sprachverstehens eines mit künstlicher Intelligenz erzeugten Sprachtests mit menschlicher Sprache
  • Beamforming und Cross-Talk-Cancellation bei Lautsprecherdarbietung
  • Lokalisation mit Hörgeräten – Kann man erlernen mit Hörgeräten wie ein Normalhörender Schalle zu lokalisieren?

Außergewöhnliche Ausstattung und innovative Ansätze

Dabei kam zum Beispiel das neue 64-Lautsprecherarray im Akustik-Labor der THL zum Einsatz. In einem Rundum-Klangerlebnis bewerteten die Proband*innen echte oder simulierte Klangszenen. Weitere Forschungsprojekte sind bereits für diese Klangkuppel in Planung. Mit dem 64-Kanal-Mikrofon können akustische Szenen naturgetreu in drei Dimensionen räumlich aufgenommen und über das Lautsprecherarray wiedergegeben werden.

Für die praktische Hörgeräteanpassung wurde unter anderem ein Chatbot entwickelt. Um im Hörakustikfachgeschäft vergleichbare Testgespräche unabhängig von Akustiker*innen anbieten zu können, kam die Idee auf, die Kunden mit einem KI-basierten Chatbot sprechen zu lassen. So würde es kein Problem geben, wenn z.B. Erkältungen die Stimme des Akustikers oder der Akustikerin verändert. Jedoch könnten undeutliche Aussprache des Kunden bei der Spracherkennung und -verarbeitung im Chatbot zu Problemen führen und so den Kommunikationsfluss stören, gaben die jungen Forscher zu bedenken.

Verschiedene Aspekte des Richtungshören mit Hörgeräten wurden genau unter die Lupe genommen. Das Richtungshören ist ein Forschungsbereich, der viele spannende Forschungsfragen bereithält. Die Studierenden zeigten anschaulich, wie komplex es ist, unser menschliches Gehör mit Technologie zu ersetzen bzw. zu unterstützen, um vergleichbare Fähigkeiten abzubilden. Gleichzeitig können diese Verarbeitungsstrategien auch im Bereich Virtual Reality, Computerspielen oder für Noise Cancelling Kopfhörer gewinnbringend eingesetzt werden.

Von Leise bis Laut

Auch der Musikgenuss und der Schallschutz waren wichtige Themen in diesem Semester. In Kindergärten ist die Lärmbelastung bekanntlich groß und ein akustisches Raumkonzept umso wichtiger. Sehr zugänglich präsentierte eine Gruppe die Absorption verschiedener Frequenzbereiche mit unterschiedlichen Materialien und variierter Absorptionsfläche. Selbst ohne Erreichen des Normbereichs für die Nachhallzeit konnte eine deutliche Verbesserung in der Sprachverständlichkeit im Bewegungsraum der Kita erzielt werden.

Ebenfalls um verschiedene Frequenzanteile ging es im Forschungsprojekt zum Einfluss von Basslautsprechern auf die gesamte Hörerfahrung eines Musikstücks. Wie sich herausstellte, kommt es auf die Kohärenz der tieffrequenten Kanäle an und darauf mit welchem Pegel ein Subwoofer die tiefen Töne darbietet. Aufnahmen verschiedener Genres bestätigten dies. Das Orgelkonzert – so resümierten die jungen Wissenschaftlerinnen – sollte man also am besten mit zwei Subwoofern anhören!

Zu Pinna-Effekt, Schallabsorptionsnormen und Crosstalk Cancellation haben wir nun wieder ein paar mehr Expert*innen auf dem Campus! Ein großes Lob geht an alle Studierenden für ihre Mühe, die HörHanse wünschen weiterhin viel Erfolg und hofft, bald mehr von euch zu hören!

EVEP-Wettbewerb: Entwurf von Echtzeitprototypen

Atem anhalten und bangen – wird der Mikrofon-Algorithmus das Auto in die richtige Richtung lenken?

Die Gruppen im Hörakustik-Seminar „Entwurf von Echtzeitprototypen“ (EVEP) fiebern dem Wettlauf entgegen und tüfteln bis zur letzten Minute an ihren Mikrofonautos. Traditionell wird in der letzten Seminarstunde ein Wettbewerb ausgetragen, in dem alle Teilnehmenden ihre Programmierkünste in Verbindung von Software und Hardware unter Beweis stellen können. Jedes Jahr gibt es eine etwas andere Aufgabe aus dem Bereich der audiologischen Signalverarbeitung.

Seminarraum wird zur Modell-Arena

Auf einem Spielfeld stehen 3 Lautsprecher in gleichen Abständen und die Startfelder für die Autos sind ordentlich nummeriert, Start und Ziel werden für jeden Durchgang ausgelost. Präzise wurde zuvor die Audiosignalwiedergabe von Prof. Tim Jürgens und Laboringenieur Ulrich Graubner kalibriert, damit jedes Team die gleichen Startbedingungen hat. Insgesamt nur drei Mal ertönt das Ortungssignal aus einem der Lautsprecher. Das Auto muss nach jedem Signal Richtung und Abstand korrekt ermitteln, um Schritt für Schritt sicher zum Ziel zu gelangen und nicht daran vorbei zu fahren.

Mehrere Mikrofone am Auto schaffen dabei eine ähnliche Situation, wie die beiden Ohren beim Menschen, die das Richtungshören ermöglichen. Wie bei Hörgeräten werden in den Autos zusätzlich verschiedene Verarbeitungsstrategien wie Laufzeitanalyse oder Beamformer eingesetzt. Mit einem selbstgeschriebenen Code werden dem Motor durch einen Raspberry Pi Anweisungen übergeben, wie weit und wohin das Auto fahren soll.

Mit beeindruckender Präzision steuerten die meisten Autos – nach kurzem Rechnen, das wie ein Überlegen wirkt – zielgerichtet auf die Schallquelle zu. Die Teams, die von der scheinbaren Willkür mit der der eigene Wagen durch den Raum rollte, überrascht wurden, konnten weiterhin Sieger*innen der Herzen für die liebevoll gestalteten Designs der Autos werden.

Fazit

Das hands-on-Kennenlernen der Technologien im Laufe des Semesters hat die Studierenden durchaus herausgefordert, Rückschläge und defekte Bauteile stellten zusätzlich die Nerven auf die Probe. Die Hörakustik-Studierenden haben sich davon aber nicht entmutigen lassen und können mit Stolz auf diese arbeitsintensive Zeit und ihre Ergebnisse blicken!

Gemeinsam wurde resümiert: Das Seminar EVEP stellt eine umfassende Verknüpfung der Lerninhalte aus dem Bachelorstudium Hörakustik dar, bei der der Spaß nicht zu kurz kommt.